»Es is wieder Neumond« erwähnt Max eher beiläufig, während er die Tassen laut klirrend aus dem Geschirrspüler nimmt und in den darüber liegenden Schrank sortiert.
»Wie kommsten jetzt darauf?«, frage ich und starre ihn verwundert über den Rand meiner Kaffeetasse an. Esoterik ist normalerweise nicht so sein Ding. Selbst meine witzlosen Ansätze ihm sein Horoskop schmackhaft‚‚t zu machen sind kläglich gescheitert. Sogar der Versuch aus dem Sex Horoskop von Erika Berger zu zitieren sind in beiderseitigem Gelächter untergegangen.
»Och«, beginnt Max seine Antwort und grinst vielsagend, »Du kennst doch Frau Müller von nebenan?«.
»Leider ja«, erwidere ich zerknirscht.
Wir sind erst vor kurzem in die kleine Altbauwohnung gezogen. Holzböden, hohe Decken, große Fenster und – Gott sei Dank – kein Barock wirkender Stuck, der einem mit kleinen Gips-Engeln aus den Ecken der Zimmer entgegenblicken könnte.
… das die Frau offensichtlich ne Macke hat!
»Naja. Frau Müller und ich hatten neulich im Hof eine kleine Unterhaltung. Als ich vom Friseur kam. Jedenfalls hat sie mir einen ihrer kleinen mütterlichen Vorträge gehalten und gemeint das man Haare nur bei Neumond schneidet.«
»Und Frau Müller hat seit heute nen feschen Bob, oder wie?«, antworte ich und lache kurz auf. Frau Müller sehe mit einem Bob vermutlich aus wie eine Mischung aus Dieter Bohlen und einer altern Kartoffel. Unsere Nachbarin ist ausserdem strikt gegen Kommerz, das Establishment und Konsum. Deswegen containert sie sich auch mit 58 Jahren noch ganz Hippiesque durch die Hinterhöfe der Stadt.
»Oh nein. Ich bin froh ihr heute nicht in die Augen schau zu müssen, denn Frau Müller hat nicht erwähnt dass man die Haare zu Neumond scheinbar im Licht des selbigen schneiden sollte.«, erzählt Max weiter und setzt sich mir gegenüber an den kleinen Küchentisch. Ich ringe mir ein leises Hmpf ab um ihn dazu aufzufordern seine langwierige Ausführung endlich zum Grande Finale zu bringen.
»Jedenfalls bin ich heute Nacht kurz aufgestanden um mir was zum trinken zu holen und hab den Fehler begangen eine Minute zu lange in den Garten zu schauen. Wer hockt da also im Schein des Mondes auf der Wiese? Genau, Frau Müller.«. Max lacht schallend und greift sich nervös in die Haare.
»Na und? Du weißt doch das die Frau offensichtlich ne Macke hat!«. Langsam nervt mich die Geschichte ein wenig. Frau Müller sitzt – an jedem Tag ohne Bodenfrost – auch stundenlang im Gemeinschaftsgarten des Hauses und redet wirr auf ihre Pflanzen ein. Max reißt sich ein wenig zusammen. Er scheint meinem Gesicht den ungeduldigen Gedankengang ansehen zu können.
»Jule. Halt dich fest.«, er beugt sich über den Tisch näher zu mir herüber und starrt mich mit vor Freude glänzenden Augen an. Ich nippe an meinem Kaffee.
»Jule. Frau Müller saß im Garten. Im Licht des Mondes. Splitterfasernackt. Und HAT SICH DIE VERDAMMTE PUSSY RASIERT!«
Max zuckt zurück als ihn der Schwall lauwarmen Kaffees trifft, welchen ich beherzt prustend durch die Küche rotze.